TZI LIVE IN DER REGIE

TZI ist auf den zweiten Blick total intensiv – und das ganz ohne Stress

Andrea Udl
Andrea Udl

Regie führen und unterrichten und Kommunikationsseminare leiten - das waren die beiden beruflichen Standbeine von Andrea Udl. Die Mutter einer 15 Monate alten Tochter ist 2012 nach vielen Jahren in Deutschland nach Wien zurückgekommen und hat 2014 das TZI-Zertifikat abgeschlossen. Irene Kernthaler-Moser hat sie zu ihren Erfahrungen mit TZI befragt.

 

 

Was ist Dein berufliches Feld und wie wendest Du TZI dabei an?

 

Ich arbeite als Regisseurin und gebe Regieunterricht sowie Rhetorikseminare. Ich nütze die TZI zur Vorbereitung, Prozessanalyse und Prozessorientierung. Die vier Faktoren und die dynamische Balance sind mir dabei sehr ans Herz gewachsen. Und die selektive Authentizität ist mir auch hilfreich. Die beiden letzteren erzähle ich meinen TeilnehmerInnen auch, sobald sie selber gefordert sind neue Handlungsoptionen zu entwickeln. Wenn es darum geht sich nicht komplett zu ändern, sondern aktiv auszubalancieren, welchen Teil von sich selber man nach außen wirken lässt, dann finde ich die beiden Punkte sehr hilfreich.

Ich habe bei meinen Seminaren meist zwei Tage Zeit, in denen viel Vertrauen gebraucht wird, weil sich die TeilnehmerInnen öffnen müssen für Feedback zu ihrem eigenen Kommunikationsverhalten. Da ist es wichtig die Gruppenphasen bewusst zu durchlaufen, Anfang und Ende aktiv zu gestalten. Dann geht es tatsächlich sehr schnell dass Menschen sich öffnen und gut zusammenarbeiten.

Ich finde TZI übrigens überhaupt nicht langsam, wie manchmal behauptet wird. TZI ist aus meiner Sicht nicht gestresst und dafür total intensiv. In den TZI Seminaren habe ich zuerst immer das Gefühl gehabt es passiert nichts und nach 2-3 Stunden gemerkt, wieviel passiert.

 

 

Wie verwendest Du TZI im Regieunterricht?

 

Am Anfang habe ich gedacht, dass ich die TZI-Grundausbildung nur für meine Kommunikations-Seminare nützen werde, weil sich TZI und Regie widersprechen. Bei der TZI ist der Plan, dass die Leitung verschwindet und das Thema leitet. Bei der Regie gilt das gegenteilige Prinzip: die Leitungsperson, die Regie führt, soll ihre eigene Sicht auf ein Stück oder Thema auf die Bühne bringen.

Mittlerweile mache ich einen Unterschied, zwischen dem was ich erarbeite und wie ich es erarbeite. Die Erarbeitungsform kann eben auch im Regieunterricht und beim Regieführen sehr wohl demokratisch, humanistisch sein. Regietheater muss nicht autoritär sein. Es gibt auch einen humanistischen Weg und für den ist es wichtig, dass man geeignete Arbeitsformen hat, um das Potential der Schauspieler*innen besser nutzen zu können. Autoritäre Regie geht davon aus, dass ich als Regisseurin mir Schauspieler*innen anschaue, entscheide was sie zu meinem Konzept beitragen können und sie dann dazu bringe das auch zu tun. Aus meiner Sicht ist es viel spannender von vornherein eine Atmosphäre der Kooperation aufzubauen, in der sich die Schauspieler*innen selber einbringen können. Da besteht die Möglichkeit, dass etwas das ich mir vorher ausgedacht habe, noch viel spannender und besser wird, weil alle miteinander weitergedacht und -entwickelt haben.

 

Und durch die TZI habe ich gelernt meinen Fokus zu behalten. Bei einer rein basisdemokratischen Zusammenarbeit wird es schnell beliebig. Wenn ich mich an der TZI orientiere, dann greife ich als Leitung sehr stark ein und der Fokus bleibt klar. Regie ist echte Führungsarbeit, in einem kleinen, abgegrenzten Rahmen, aber systemisch betrachtet ist es ganz normale Führungsarbeit.

Wirklich gute Schauspieler*innen haben sehr viel eigene Chairperson, deswegen kracht es auch immer wieder bei Proben. Und vieles ist auch eine Frage der Erfahrung: ein Schauspieler hat mit Andrea Breth gespielt, die führt sehr patriarchal. Er hat dann nichts anfangen können mit dem sehr kooperativen Stil eines Andreas Kriegenburg. Andrea Breth kann mit ihrem autoritären Führungsstil natürlich scheinbar viel aus den Menschen herausholen aber ich bin überzeugt, man kann mindestens genauso gute Kunst machen auch ohne Schauspieler zum Heulen zu bringen.

Manchmal habe ich den Eindruck, dass diese ganze Diskussion um die Werktreue eine Ausrede ist um sich nicht einzulassen auf den Reichtum der Auseinandersetzung zwischen Regie und Schauspieler*innen. Die einander widerstrebende Kräfte von Text, Schauspieler*innen und Regie erzeugen einen fruchtbaren Dialog und diese Kraft der Auseinandersetzung ist – im besten Fall - noch zu spüren

 

Wir haben irgendwie gelernt, was einem leicht fällt, ist nichts wert. Da liegt - glaube ich - auch ein Imageproblem der TZI. Bei TZI Kursen kommt man auch nicht automatisch zum Heulen. Es gibt Menschen, die nach dem TZI Zertifikat sagen dass es nicht tief genug gegangen ist. Aber wenn ich es nicht zulasse, dann wird nichts passieren. TZI will die Chairperson fördern, die eigene Auswahl- und Entscheidungsfähigkeit. Daher treibt Dich niemand über die Klippe. In diesem Sinn ist TZI schon langsam: man entscheidet eben selber – bewusst oder unbewusst – wie schnell oder langsam man sich selber herantraut an tiefer gehende Themen, wie lange die eigene Chairperson braucht, bis man springt.

 

Für mich geht es beim Regieunterricht für Schauspieler*innen hauptsächlich darum die Chairperson zu stärken. Sie brauchen eine starke Chairperson um in ihrem Beruf den Regisseur*innen nicht zu sehr ausgeliefert zu sein. Es gibt zwei Pole: Ich lasse alles mit mir machen oder ich glaube der/dem Regisseur*in gar nichts. Aus meiner Sicht geht es darum diese beiden Pole gut auszubalancieren. Ich gebe den Teilnehmer*innen das 4-Faktoren-Modell an die Hand, erkläre das Konzept und reflektiere und verwende es, um Erlebtes auszuwerten.

 

Interessanterweise gibt es viel Theorie für Schauspiel, da geht es meist um inhaltliche Fragen, Herangehensweisen an den Darstellungsprozess. Für Regie gibt es noch wenig Theorie, Regie führen als Führungsverhalten ist noch nicht reflektiert. Ich denke, da wäre der autoritäre Regiestil bedroht, wenn man anfangen würde eine Didaktik zu entwickeln, die man einfach lernen kann. Dann gibt es nicht mehr nur diese tolle genialische Künstler*innenfigur in der Regieposition, sondern ein Handwerk, das man lernen und anwenden kann. Aber das künstlerische Geheimnis bleibt ja ohnehin erhalten: Das Handwerk funktioniert nur, wenn ich eine Vision habe, ohne künstlerische Vision nützt mir das ganze Handwerk nichts, das wird oft verwechselt.

 

 

Wie bist du dazu gekommen Regie zu unterrichten?

 

Ein Dramaturg, der mich kennt, hat mir in Hamburg angeboten Regie zu unterrichten, weil er mir das zugetraut hat. Dann habe ich alle Schauspieler*innen, die ich kenne, angeschrieben und sie gefragt, was für sie eine*n gute*n Regisseur*in ausmacht. Diese Ergebnisse, meine eigenen Erfahrungen aus dem Unterricht und aus der Sprechwissenschaft waren dann der Ausgangspunkt für meine eigene Didaktik. Ich habe viele Übungen entwickelt und dann dem Prozess vertraut. Und dann hatte ich das Glück, dass im ersten Jahrgang, den ich unterrichtet habe, alle schon sehr entwickelte Charaktere waren, also bereits ausgebildete Chairperson hatten. Ich habe mit ihnen gemeinsam sehr gut meinen eigenen Unterricht entwickeln können, sie hatten nämlich alle Lust darauf selber zu entscheiden, was sie in ihrem Unterricht machen wollen. Sie haben gemacht, was ihnen wichtig war und ich habe ihnen Feedback gegeben. Wir haben sehr prozesshaft gearbeitet. Ich habe später Jahrgänge gehabt, wo diese Vorgangsweise nicht möglich gewesen wäre.

 

 

Wie bist Du zur TZI gekommen?

 

Im Studium habe ich bereits davon gehört, allerdings in einer sehr seltsamen Form: wir mussten uns damals gegenseitig Modelle vorstellen und als Basis dafür die 4 Faktoren verwenden. Und nach einer kurzen Präsentation der Axiome und der Hilfsregeln sollten wir in einem Gruppengespräch alle Hilfsregeln anwenden, und es wurde immer unterbrochen bei der kleinsten Abweichung. Und da wirst Du wahnsinnig nach 5 Minuten und kommst zu dem Ergebnis: TZI ist eine schöne Idee aber nicht anwendbar – so habe ich das im Studium erlebt.

 

Bei dem Trainingsinstitut, mit dem ich seit vielen Jahren zusammenarbeite, wurde mir empfohlen „Wie die Gruppe laufen lernt“ von Barbara Langmaack zu lesen. Nach zwei Jahren Trainingstätigkeit habe ich mir dann überlegt, welche Weiterbildung ich mache und es stand Gruppendynamik oder TZI zur Auswahl. Ich habe dann zwei Gruppendynamik Workshops gemacht und den TZI Entscheidungsworkshop und habe mich für TZI entschieden. Gruppendynamik ist irgendwie ärger, wie man sich spürt, da kommt man weniger aus. Ich hatte zuerst das Gefühl, daß ich flüchte, wenn ich nicht Gruppendynamik mache. Heute bin ich sehr froh darüber dass ich TZI gemacht habe – nur manchmal gibt es da noch eine innere Stimme, die meint, mit TZI ist das alles viel zu nett.