TZI LIVE IN DER THERAPIE

Mein Werdegang mit TZI - Rückblick & Ernte

Herta Plattner und Ruth Cohn
Herta Plattner und Ruth Cohn

Der Beginn

 

Während ich an einem Gymnasium unterrichtete war ich u.a. in der Schülerberatung bzw.

 -betreuung tätig und hatte eine viersemestrige Zusatzausbildung auf der Schulpsychologie in der Strozzigasse absolviert „Betreuung von Verhaltensauffälligkeiten“. In dieser Funktion war ich auch immer wieder im Gespräch mit unserer Schulärztin Dr. Hildegard Katschnig. Als ich ihr einmal mein Unbehagen am Schul- und Unterrichtssystem anvertraute, „schickte“ sie mich zu ihrer Freundin Ingeborg Verweijen…. Das war der Beginn meines TZI-Weges.

 

 

TZI und Schule

 

Ab 1986 nahm ich berufsbegleitend an TZI Kursen teil. Es folgte im November 1988 das Eintrittskolloquium (das gab es damals noch!!) auf der Eidenberger Alm nördlich von Linz. Damit war mein TZI-Weg auch offiziell abgesegnet.

Alles, was ich mir methodisch und haltungsmäßig aus den Kursen mitnehmen konnte, setzte ich unmittelbar in den Schulklassen um.

Besonders deutlich erinnere ich mich an die Reaktionen meiner Schüler/innen, wenn es um deren Selbstverantwortung und Selbstbestimmtheit im gemeinsamen Lernprozess ging. Das war natürlich für einige schon sehr gewöhnungsbedürftig. Im Großen und Ganzen klappte es mit der Zeit und meine eigene Zufriedenheit beim Unterrichten trug sicher wesentlich zu einer veränderten Atmosphäre im Klassenraum bei.  

Im Rahmen des Kongresses „TZI in Österreich stellt sich vor“ in Linz, organisiert von Ingeborg Verweijen und Ingo Rath, leitete ich 1989 meine erste offizielle TZI-Arbeitsgruppe.

 

13 Jahre bis zur Graduierung

 

1992 Diplom, damals auch noch Fähigkeitsausweis (FA) genannt. Über etliche Jahre hinweg nahm ich zusätzlich an einer TZI-Supervisionsfort- und -weiterbildung bei Hartmut Raguse in Basel teil. (Die TZI Supervisionsausbildung aufbauend auf dem TZI-Diplom gab es noch nicht). Die hochkarätig besetzte Gruppe (Matthias Scharer, Erika Arndt, Walter Lotz, Dorothe Freudenreich u.a.m. die allesamt nach und nach graduierten) motivierte mich, ebenfalls diesen Weg zu gehen. 1999 Graduierung – 20 Jahre ist’s nun schon her.

 

 

Mein Engagement für den Verein

 

Eine oder zwei (?) Funktionsperioden war ich kooptiertes Mitglied des Koordinationsteams, von 1992 bis 97 dann Vorsitzende und lernte 1994 während des internationalen Austausch-treffens Ruth Cohn persönlich kennen. 82jährig beklagte sie schon damals ihre zunehmende Vergesslichkeit.

 

 

Der gelebte TZI-Reichtum oder vives les différences

 

Was ich seit meinen Anfängen besonders schätzen gelernt habe, ist der Reichtum, die Vielfältigkeit, die integrative Kraft der TZI. Meine TZI Lehrerinnen und Lehrer konnten kaum unterschiedlicher sein:   

Werner Sperber, Peter Rohner, Rena Krebs, Peter Boldt, Karl Walka, Rose Renner, Charles Buri, Ulrike Ritz, Ingo Rath und der schon erwähnte Hartmut Raguse, um nur einige zu nennen.

Sie alle lebten und lehrten die TZI mit unterschiedlichen Zugängen, der je eigenen  Persönlichkeit und des beruflichen Backgrounds entsprechend. Vieles konnte ich annehmen und mit der Zeit integrieren, manches ließ ich sein.

 

Die TZI wurde für mich zur Basis meiner gesamten Arbeit und natürlich war diese ebenfalls von meiner beruflichen Tätigkeit als Lehrerin und Psychotherapeutin geprägt. Alles was ich mir nach und nach an Aus- und Fortbildungen (Transaktionsanalyse, Gestalttherapie, körperorientierte Therapie, systemische Psychotherapie u.a.m.) angeeignet hatte konnte ich gut in meine TZI Arbeit integrieren.

 

 

Lainz und eine der Folgen

 

Nach den Ereignissen im KH Lainz („Todesengel von Lainz“) wurde 1993 auf Initiative des Wissenschaftsministerium das Institut für Ethik in der Medizin, später dann erweitert durch Institut für Ethik und Recht in der Medizin (IERM) gegründet (einmalig in Österreich), wo ich als Psychotherapeutin an relevanten Fragestellungen zur Erhebung des ethischen Bewusstseins in den heilenden Berufen mitarbeiten durfte. Zu unseren Teamsitzungen holte ich Hartmut Raguse nach Wien, der uns als Supervisor begleitete.

Die Grundsatzfrage des damaligen Institutsleiters Günter Virt lautete: „Wie können wir Medizinethiker ausbilden, wenn es dies in Österreich noch gar nicht gibt?“ Gemeint war, dass es damals noch kein akademisches Grundlagenprogramm für Medizinethik gab.

Gemeinsam mit Brigitte Schönbeck (TZI-Diplom) und Franz Haslinger, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut, erarbeiteten wir das Fortbildungscurriculum unter dem Generalthema

Gut gemeint ist noch lange nicht gut

Ethik in der Medizin, Therapie und Pflege im Spannungsfeld zwischen persönlichem Engagement, Verantwortlichkeit und geltendem Recht

In Zusammenarbeit des Instituts mit dem Fortbildungsreferat der Wiener Ärztekammer fanden dann von 1997 bis 2003 in drei aufeinanderfolgenden Durchgängen die TZI geleiteten Fortbildungsveranstaltungen statt. *)

 

*) Zunächst für acht Wochenendseminare konzipiert, schließlich 10 Wochenende umfassend auf knapp zwei Jahre verteilt:

  1. Leben im Spannungsfeld Ethik
    Moralisch handeln – ethisch reflektieren
  2. Dimensionen des Lebens: Gesundheit und Krankheit
    Herkunftsfragen aus Philosophie/ Anthropologie – Religion – Soziologie
  3. Im Keim wirkt schon das Ganze, ohne es zu sein
    Ethische Probleme am Beginn des Menschenlebens
  4. Im Mittelpunkt der Mensch
    Rechtsnormen und individuelle Entscheidungsmöglichkeiten im Krankenhaus
  5. Sterben dürfen – Sterben lassen
    Autonomie und Interdependenz am Lebensende
  6. Aufgaben und Interessen von Ethikkommissionen
    Forschungsinteressen vs. Patienten und Probanden
  7. Mensch und Wort – Die Grenzen des Sagbaren
    Kommunikation zwischen heilenden Berufen und Patienten
  8. Die Seele ist ein weites Land… und es kann sehr eng werden
    Psychohygiene für Seele, Geist und Körper
  9. Geben und Nehmen: ethische Fragestellungen in Extremsituationen
    Über das Machbare in der Hightech- und Intensivmedizin
  10. Wesen und Unwesen des österreichischen Gesundheitssystems
    Realität und Visionen

Zu jedem Wochenende waren zwei Fachreferent/innen zu den angesagten Themen eingeladen.

Es war beindruckend, wie rasch die Teilnehmenden Vertrauen in den gemeinsamen Prozess fassen konnten und wie viel Offenheit in kurzer Zeit möglich wurde. Gemeinsam mit den recht unterschiedlichen Referent/innen haben alle mit ihrem Engagement, Wissen und ihren persönlichen Erfahrungen in einer Atmosphäre der gegenseitigen Wertschätzung zu einem optimalen Lernklima beigetragen und sich auf die vorgegebenen Themen eingelassen.

Im kollegialen Austausch wurde die politische Dimension der Veranstaltungen besonders deutlich.

Für mich gehören diese Fortbildungsseminare zu meinen intensivsten TZI-Zeiten.

Ich persönlich habe sehr viel gelernt. Nachhaltig gewirkt hat die Auseinandersetzung mit der eigenen Sterblichkeit und dem Tod an dem Wochenende ‚Sterben dürfen – Sterben lassen‘. Als nach mehreren Entwürfen eine (end-)gültige Fassung der Patientenverfügung vorlag, war ich unter den ersten, die eine verbindliche PV auch ausgefüllt hat (zwischenzeitlich schon zwei Mal erneuert).

 

 

TZI und die Frage nach der reinen Lehre

 

So wie ich die TZI verstanden, erlebt und gelebt habe gibt es die reine Lehre nicht. Ruth Cohn hat vielfältige Impulse verschiedenster Strömungen aufgegriffen und ich stimme mit Gerhard Härle überein: „Das TZI-System hat insgesamt….als synkretistisches Modell unterschiedliche Einflusslinien in sich aufgenommen. Das zieht einerseits eine erhebliche theoretische Unschärfe nach sich, birgt aber andrerseits auch die Stärke einer großen Anpassungs- und Innovationsfähigkeit….“ *)

und auch mit Friedemann Schulz von Thun: „Also ein astreines TZI, was als Ausdruck hübsch ist, aber als Tatsache nicht stimmt, wird von anderen, weniger poetischen Leuten genannt ‚klassisches TZI‘ oder ‚echtes TZI‘. Und das ist ja nun wirklich ein falscher Ausdruck. Warum falsch? Weil TZI nicht dogmatische Richtlinien vorgibt, sondern sich öffnet für die Besonderheiten des Themas, der Leiterpersönlichkeiten etc.“ **)

 

 

TZI und die transverbale Sprache von Strukturaufstellungen

 

Ruth Cohn hat mehrfach in ihren Schriften auf die Bedeutung der Körperwahrnehmung hingewiesen: „Beachte die Signale deines Körpers“ oder „Achte auf die Signale aus deinem Körper.“ ergänzend dazu auch eine der sogenannten TZI Hilfsregeln „Achte auf deine Körpersprache“ bzw. „Beachte die Körpersignale“.

Nachdem ich über mehrere Jahre an einer fundierten Fortbildung für Systemische Strukturaufstellungen bei Matthias Varga von Kibéd teilgenommen hatte, begann ich auch erfolgreich die transverbale Sprache von Aufstellungen zu integrieren und konnte mich dabei mit gutem TZI-Gewissen auf diese Cohnschen Aussagen berufen.

Die transverbale Sprache als erweiternde und vertiefende Form der dialogischen verbalen und nonverbalen Sprache in einem gemeinsamen und wechselseitigen Lernprozess bedeutet auch eine erweiterte Wahrnehmung.

 

*) Gerhard Härle, TZI und Sprache, in der Fachzeitschrift TZI, Heft 1/2019 p. 22

**)  Gerlinde Geffers im Austausch mit Friedemann Schulz von Thun, ebenda, p. 49

Gleichzeitig integrierte ich auch Elemente der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg.

 

 

Meine Seminarangebote ‚am freien Markt‘

 

Leider gibt es kein RCI Seminararchiv und da alle daten- bzw. personenbezogenen Unterlagen, die älter als 10 Jahre sind, von mir vernichtet werden, kann ich nicht genau rekonstruieren, wie viele ich insgesamt ausgeschrieben und organisiert habe. Es waren sehr viele (80, 90…?); über einen längeren Zeitraum bot ich vier bis fünf im Jahr an. Die Themen der Seminarausschreibungen sind gut bis sehr gut angenommen worden, und viele Seminare waren ausgebucht.

Einige Seminare hielt ich auch außerhalb des RCI und vor meiner Graduierung, wie schon der erste Durchgang der oben erwähnten Fortbildungsveranstaltung „Gut gemeint ist noch lange nicht gut“, oder auch Medizinethische Fortbildungen von Montag bis Freitag (!) für Medizinische, therapeutische und diagnostische Gesundheitsberufe an der Fortbildungs-akademie im Alten AKH für die ich von der damaligen Leitung beauftragt wurde.

Eines dieser Seminare wertete ich für meine Graduierungsarbeit aus.

Einen persönlichen Entwicklungsschub in meiner Arbeit erlebte ich, als ich mehr und mehr  dazu stehen konnte, wenn ich nicht mehr weiter wusste und die Planung der nächsten Schritte den Teilnehmenden überließ, die dann oft zu Höchstformen  aufliefen.

Ein bisschen Einzelkämpferin, leitete ich die meisten alleine.

Ich konnte mit meinen Seminaren auch etliche Teilnehmende motivieren die TZI Ausbildung anzugehen und gerne begleitete ich auch einige auf ihrem Weg zum Zertifikat und Diplom.

Diese schon erwähnte integrative Kraft erlebte ich auf jedem Seminar als sehr bereichernd,

zeichnet die TZI für mich aus und gehört für mich zur Besonderheit dieses Modells.

Ich habe auf jedem Seminar – bis zu meinem letzten im Oktober 2018 – gemeinsam mit und angeregt durch die Teilnehmenden dazugelernt und je unterschiedlicher wir waren, umso mehr konnten wir voneinander lernen.

Und auch wenn ich keine Seminare mehr anbiete, begleiten mich die Vier-Faktoren des TZI Modells nachhaltig bei meinen (Team-)Supervisionen und (Paar-)Therapien.

 

 

Für meine Ernte

lass ich zwei Personen am Ende eines Seminars in der Feedbackrunde zu Wort kommen:

 

Eine junge Teilnehmerin: „Vor fünf Tagen habe ich noch nicht gewusst, dass LEBEN auch SO gehen kann.“ Gemeint war der wertschätzende Umgang miteinander, das Einander-Wahrnehmen, die unterschiedlichsten Meinungen als Bereicherung zu erleben; Konflikte, Krisensituationen als individuelle und gemeinsame Lernmöglichkeit und Entwicklungschance wahrzunehmen und Störungen als Wegweiser zu begreifen.

 

Ein etwas älterer Teilnehmer: „Es ist beeindruckend, wie du die Liebe zum Fließen bringst.“

An diesem Feedback freut mich besonders, weil ich nicht etwas zum Fließen bringen kann, was nicht schon vorhanden war, nur vielleicht etwas verschüttet oder nicht gelebt.